Bötticher setzt für sich und BDR das i-Tüpfelchen
Glasgow. Als Stefan Bötticher zum Abschluss der Bahnradsport-Wettbwerbe bei der EM in Glasgow seinen souveränen Sieg im Keirin feierte, hatten Mannschaft und Betreuer wieder ihr Lächeln zurückgefunden. Bötticher sorgte mit seiner ersten internationalen Medaille für einen goldenen Abschluss und brachte Deutschland an die Spitze der Nationenwertung. "Stefan ist ein hervorragendes Beispiel für Vertrauen in die Strukturen, bei dem sich Ruhe, Geduld und Zeit ausgezahlt haben", erklärte Patrick Moster, Sportdirektor vom Bund Deutscher Radfahrer (BDR) zufrieden.
Mit seinem Sieg im Kampfsprint sorgte Bötticher für das i-Tüpfelchen unter eine in allen Bereichen starke EM im Oval. Der Chemnitzer avancierte mit dem Titelgewinn nach zuvor Silber (Sprint) und Bronze (Teamsprint) zudem zum erfolgreichsten deutschen Athleten und krönte sein internationales Comeback. "Die Medaille und das Trikot werden zu Hause auf jeden Fall einen Ehrenplatz erhalten", sagte der Chemnitzer. Der Weltmeister von 2013 fehlte über zwei Jahre verletzt, doch der BDR hielt dem Chemnitzer immer alle Türen offen.
Sechs Wochen nach dem schweren Trainingsunfall von Erfolgsgarant und Aushängeschild Kristina Vogel war dieses Abschneiden der Mannschaft nicht zu erwarten gewesen. "Kristina war hier trotz ihres Ausfalls omnipräsent, ihr Geist schwebte über den Wettkämpfen. Das war Bürde, hat teilweise aber auch beflügelt", schätzte Moster ein. Der Sportdirektor rechnet damit, dass der Unfall Vogels die Mannschaft noch eine Weile begleiten wird. "Wir wollen das Thema keinesfalls totschweigen, das wäre falsch. Aber die Zeit heilt Wunden", sagte Moster.
Vogel, im vergangenen Jahr Doppel-Europameisterin in Sprint und Keirin, war Ende Juni im Training in Cottbus gestürzt. Die zweifache Olympiasiegerin und elffache Weltmeisterin zog sich schwerste Rückenverletzungen zu. Nach mehreren Operationen im UKB Berlin will sich die Erfurterin wohl im August selber zur Schwere ihrer Verletzungen äußern. Details sind nach wie vor nicht bekannt.
In Glasgow zeigten sich vor allem die Verfolger, jahrelang eine Schwachstelle, von ihrer besten Seite. Domenic Weinstein (Unterbaldingen) und Lisa Brennauer (Durach) glänzten nicht nur mit Gold, sondern auch mit bärenstarken Zeiten. Die Verfolger-Mannschaften standen beide im kleinen Finale, die Frauen holten erstmals seit 2011 mit Bronze eine Medaille. "Man darf die Ergebnisse aber auch nicht überbewerten. Wir wissen, was die Medaillen wert sind. Viel steht und fällt bei den Frauen mit Lisa Brennauer. Sie führt und ist der Kopf", sagte Moster.
Im Kurzzeitbereich konnte vor allem Stefan Bötticher mit drei Medaillen punkten. Auch im zuletzt schwächelnden Teamsprint der Männer machte die Mannschaft mit dem jungen Timo Bichler (Dudenhofen) einen wichtigen Schritt nach vorn. Bei den Frauen füllte in Glasgow die junge Emma Hinze (Cottbus) die Vogel-Lücke. Mit Pauline Grabosch (Erfurt) hat Bundestrainer Detlef Uibel neben Routinier Miriam Welte (Kaiserslautern) eine weitere Top-Fahrerin in der Hinterhand.
Mit den guten Ergebnissen hat der BDR auch eine gute Basis für eine erfolgreiche Qualifikation zu den Olympischen Spielen in Tokio 2020 gelegt. Neun weitere Wettbewerbe gehen in das Ranking ein, Abschluss und Höhepunkt ist die Heim-WM 2020 im Berliner Velodrom (26. Februar bis 1. März). "Uns ist es gelungen, in allen entscheidenden Bereichen, einen guten Start hinzulegen", freute sich Moster über eine überaus erfolgreiche EM 2018, der selbst der schwere Unfall von Kristina Vogel nichts anhaben konnte.
Nach 22 Entscheidungen standen elf Medaillen (3-4-4) zu Buche. Damit übertraf der BDR sogar die Bilanz von 2017. In Berlin hatte es zwölfmal Edelmetall (5-4-3) gegeben, allerdings waren die Steher (1-0-1) in Schottland nicht im Programm - die ermitteln ihre Europameister erst am 7./8. September auf der Radrennbahn Andreasried in Erfurt.