Förstemann bringt Rad-Geschichte in die Wohnungen
Die Nachfrage hat die Erwartungen bei weitem überschritten: Seit knapp einem Jahr lasst Bahnsprinter Robert Förstemann aus dem alten Holz des Berliner Velodroms einzigartige Möbelstücke bauen. Der Sprinter mit den Monster-Oberschenkeln zeigt sich da von seiner kreativen Seite und steuert die Entwürfe bei.
Berlin. Matthias Tramitz kann sich noch gut an die erste Begegnung mit Robert Förstemann erinnern. „Ich hatte zuvor mit dem Thema Fahrrad nicht so viel zu tun und fand die Idee ein bisschen seltsam“, erinnert sich der 56-Jährige. „Es hat sicher nicht so genau gewusst, worauf er sich einlässt – aber es hat einfach mit uns gepasst“, sagt Förstemann rückblickend mit einem breiten Grinsen im Gesicht. Knapp ein Jahr nach dem Entstehen ihrer Idee, aus altem Holz aus dem Velodrom neue Möbel zu machen, sind beide überaus erfolgreich – und nicht nur bei Ex-Profis wie dem Franzosen Benoit Vetu (heute japanischer Bahn-Nationaltrainer) oder Danilo Hondo (Schweizer U23-Trainer) zieren exklusive Tische aus Berlin die Wohnungen. „Dass es so lange läuft, hatte ich nicht gedacht“, sagt Tramitz.
Rückblende: Im Juni 2017 begannen im Berliner Velodrom die Sanierungsarbeiten an einer der berühmtesten Radrennbahnen der Welt. Nach 20 Jahren war es an der Zeit, den Fahrbahnbelag der 250-Meter-Piste zu erneuern – im Hinblick auf EM 2017, den Weltcup in diesem Jahr und die Weltmeisterschaft 2020. Knapp 55 Kilometer Holzlatten aus sibirischer Fichte wurden entfernt – Bretter, die für die Radrennfahrer, vor allem die Sixday-Profis, die Welt bedeuten. „Ja, die Bahn hat einen hohen ideellen Wert – das Holz war zum Wegwerfen einfach viel zu schade. Ich musste damit einfach etwas machen“, sagt Förstemann, häufiger Trainingsgast und elf Mal bei den Sechstagerennen im Velodrom am Start. Und so entstand beim Rundenrekordhalter (12,441 Sek.) die Idee: Aus dem alten Holz sollen neue Möbel entstehen.
„Ich bin in die Geschichte ein bisschen reingerutscht, nachdem ich mir selber ein paar Erinnerungsstücke geholt hatte“, sagt Förstemann, Olympia-Dritter im Teamsprint 2012 und Teamsprint-Weltmeister 2010. Es entstanden Skizzen und Zeichnungen und erste Entwürfe zur „Finish Line“ – einer Serie mit großen und sehr massiven Ess- und Konferenztischen, in denen ein Stück der Ziellinie („Finish Line“) verbaut ist. „Ich wusste ziemlich schnell und genau, was sich will – und brauchte nur jemand, der er es umsetzt“, sagt Förstemann, der das Projekt mit einem Prototypen beim Berliner Sechstagerennen im Januar erstmals vorstellte und dort auf große Resonanz stieß.
Derjenige, der aus dem Holz echte Schmuckstücke macht, ist Tischler Matthias Tramitz. Der 56-Jährige war schon immer spezialisiert auf Einzelanfertigungen, zuvor aber auf Alt-Berliner Hoftore oder beispielsweise Fenster. Neben den großen Tischen gibt es inzwischen eine zweite Serie: die „Lounge Edition“. Der Prototyp mit der No. 1 ist ein runder Tisch auf Hairpin-Beinen aus grauem Stahl – als Verbindung zum futuristischen Velodrom. Den äußeren Rand bildet ein Eichenring mit 65 Zentimetern Durchmesser, der an ein Rad erinnert. In der Mitte ist die 120-Meter-Marke der Radrennbahn mit Mavic-Messerspeichen eingelassen und befestigt sowie mit Epoxidharz ausgegossen. „So kommen das Original-Holzstück und die Speichen sehr, sehr gut zur Geltung“, sagt Förstemann, der immer etwas von seinen Rädern mit einbaut – für das nächste Exemplar soll beispielsweise ein Kettenblatt dazukommen.
Über Preise sprechen Förstemann, der am nächsten Wochenende beim Weltcup in Paris in die Saison einsteigt, und Tramitz nicht. Klar ist: die Möbelstücke sind etwas für Individualisten, aber nicht nur für Radsportliebhaber. „Ich möchte, dass die Leute unsere Tische in erster Linie kaufen, weil sie cool aussehen. Und in zweiter Linie, weil sie mit Radsport verbunden sind“, sagt der 32-Jährige, der seit einiger Zeit in Neuenhagen in Brandenburg mit Frau Jenny und seinen Söhnen Noah und Jonah lebt. Rund zehn Kubikmeter Holz hat sich Förstemann gesichert und lagert es an „einem geheimen Ort“, wie er lachend erzählt. „Damit können wir unser Leben lang Tische bauen“, sagt Matthias Tramitz schmunzelnd. Und falls es doch nicht reicht: Von der alten Radrennbahn in Manchester hat sich Förstemann auch schon Holz gesichert – und erste Ideen für weitere Möbelstücke...