Domenic Weinstein: „Bei Olympia wollen wir unter 3:50 Minuten fahren“
Domenic Weinstein (25 Jahre, Team Heizomat rad-net.de), hinter Ihnen liegt eine lange Wettkampfreise nach Hongkong und Australien inklusive langem Heimflug und Jetlag. Trotzdem hatten Sie noch die Power, direkt nach der Rückkehr am Sonntag bei der Gala „Sportler des Jahres“ im Smoking auf dem Ergometer in die Pedale zu treten. Wie hat sich das angefühlt?
Das war ein kleiner Showevent und hat mir trotz der anstrengenden letzten Wochen eher Kraft gegeben als genommen. Die Veranstaltung in Baden-Baden macht immer sehr viel Spaß und war auch wieder ein kleines „Familientreffen“ der Radsportler.
Auf der Reise nach Hongkong und Brisbane/Australien gab es erneut zwei deutsche Rekorde in der 4000-Meter-Mannschaftsverfolgung, in Hongkong zudem den ersten deutschen Sieg in dieser Disziplin seit 14 Jahren. Was zählt mehr?
Es zählt natürlich beides. Wir waren schon sehr froh, dass wir beim Weltcup in Hongkong erstmals den Sprung nach ganz oben auf das Treppchen geschafft haben. Zweite und dritte Plätze hatten wir genug. Die Goldmedaille gibt auch nochmal einen Extra-Kick in Richtung WM. Natürlich freut uns aber vor allem die Entwicklung bei den Zeiten, da sind wir mit unserem neuen deutschen Rekord von 3:51,165 Minuten ein großes Stück vorangekommen.
Im Vergleich zum Herbst 2018 hat sich die Mannschaft um mehr als vier Sekunden verbessert. Was sind die Ursachen für die Steigerung?
Es hat halt ein bisschen gedauert, aber jetzt schlägt das Training der vergangenen Jahre an. Auf der Reise kam einiges zusammen: Die ganze Mannschaft, also Felix Groß, Leon Rohde, Nils Schomber, Theo Reinhardt und ich, war extrem heiß und motiviert. Wir waren teilweise mit dem neuesten Material der FES unterwegs, das wir auch bei der WM und den Olympischen Spielen fahren werden. Und wir haben auch noch ein bisschen was ausprobiert. Ich bin beispielsweise von der letzten auf die dritte Position gegangen. Theo Reinhardt fährt jetzt auf der Position vier und macht da einen ausgezeichneten Job. Da kommt dann Zehntel um Zehntel zusammen.
Auch international ist das Niveau sehr nach oben gegangen. Die Konkurrenz aus Australien, Dänemark, Neuseeland, Italien, Schweiz und Großbritannien ist immer noch einen Schritt voraus, oder?
Die anderen Nationen sind schon einen Schritt voraus, aber wir versuchen die Lücke kleiner zu machen. Die Entwicklungsschritte werden jetzt natürlich immer schwieriger. Die Australier wollten zum Beispiel bei ihrem Heim-Weltcup ihren eigenen Weltrekord verbessern, das hat aber dann doch nicht so einfach geklappt. Da ist schon ziemlich viel ausgereizt – wir haben dagegen noch Luft nach oben. Ich denke, dass wir zu den Olympischen Spielen eine Zeit unter 3:50 Minuten fahren können.
Sie haben 2016 und 2019 mit starken Zeiten WM-Silber in der Einerverfolgung gewonnen. Zuletzt sind hier auch die Zeiten explodiert. Wie gehen Sie die WM in Berlin an?
Im Fokus steht für mich absolut die Mannschaftsverfolgung. Natürlich schaue ich auch immer ein bisschen auf die Einververfolgung. Da habe ich aber fast nie extra trainiert, die lief immer etwas nebenher – und das ziemlich gut. Natürlich würde ich in Berlin vor dem Heimpublikum gerne eine Medaille machen. Gold wird aber schwer – Filippo Ganna ist ein extrem schwerer Gegner.
Starten Sie am Samstag bei den deutschen Meisterschaften im Omnium in Frankfurt – im vergangenen Jahr standen Sie als Dritter auf dem Podium?
Nein, ich werde nicht dabei sein. Ich hatte zuletzt Probleme mit dem rechten Knie, die Sehnen haben auf die starke Beanspruchung in den vergangenen Wochen reagiert. Deshalb wurde am Dienstag in Tübingen ein MRT gemacht. Zum Glück muss nicht operativ eingegriffen werden. Wir werden die Beschwerden physiotherapeutisch behandeln. Unter diesen Vorzeichen hätte ein Start in Frankfurt keinen Sinn.
Wie geht es für Sie sportlich weiter?
Ich fliege nach Weihnachten ein paar Tage privat zum Trainieren in die Sonne nach Mallorca. Ab 9. Januar bin ich erstmals beim Sechstagerennen in Bremen am Start, worauf ich mich sehr freue. Für mich sind die Sixdays in Bremen auch wichtig, weil ich da noch ein paar Leistungs-Spitzen setzen möchte. Außerdem gefällt mir eine lange Phase ohne Wettkämpfe nicht so gut. Danach geht es mit der Nationalmannschaft ins Trainingslager wieder in die Sonne. Und die WM-Vorbereitung machen wir im Februar wie immer in Frankfurt (Oder).