Bahn-WM in Polen beschließt erste Hälfte der Olympia-Qualifikation - BDR in 16 Wettbewerben am Start
Mit einem 24-köpfigen Kader nimmt der BDR die Bahn-Weltmeisterschaften in Pruszkow in Angriff, gleichzeitig Abschluss der ersten Hälfte der Olympia-Qualifikation. In 16 der 20 Wettbewerbe ist die Mannschaft vertreten und will den zweiten Platz in der Nationenwertung 2018 in Apeldoorn (4/-/2) verteidigen.
Pruszkow. Eine ungewohnt schwierige Ausgangslage haben die deutschen Teamsprint-Männer in Polen. Jahrelang in den großen Finals vertreten, kämpft die Mannschaft derzeit um den Anschluss an die Weltspitze. Kurz vor der Hälfte der Olympia-Qualifikation steht ein achter Platz zu Buche, der unbedingt gehalten werden muss, um das Ticket für Tokio 2020 zu lösen. „Wir müssen im Teamsprint zurzeit kleinere Brötchen backen. In Pruszkow geht es darum, den Top-8-Platz zu verteidigen“, sagte Bundestrainer Detlef Uibel. Hauptproblem ist derzeit die Position des Anfahrers im Teamsprint. Trotz vereinzelter Ergebnisse haben die beiden WM-Neulinge Timo Bichler und Nik Schröter die Lücke zur Spitze bislang nicht schließen können. Hoffnungsschimmer bei den Männern: Stefan Bötticher. Nach EM-Gold im Keirin im Vorjahr will der Chemnitzer bei seinem ersten WM-Einzelstart seit 2015 auch auf der Weltbühne wieder glänzen. „Er hat ein gutes, solides Niveau und durchaus seine Möglichkeiten“, sagte Uibel.
Bei den Frauen ist der Übergang nach dem Ausfall von Kristina Vogel bei EM und in den Weltcups überraschend gut gelungen. „Allerdings sollten wir nicht die Weltcup-Ergebnisse als Maßstab nehmen“, warnte Uibel. Emma Hinze hatte hier sechsmal den zweiten Platz belegt. Neben der Cottbuserin zählen Miriam Welte, Pauline Grabosch und auch erstmals Lea Sophie Friedrich zur Mannschaft. Die vierfache Junioren-Weltmeisterin hatte in den Weltcups teilweise schon gute Ergebnisse erzielt. „Die Nominierung ist schon eine kleine Überraschung. Ich freue mich, dass ich dabei sein darf“, sagt die 19-Jährige, die mehrere Startmöglichkeiten hat. Die größte Medaillenchance sieht Uibel im Teamsprint, in dem Miriam Welte in ihrer 14. WM als Anfahrerin gesetzt ist. Grabosch, im Vorjahr Teamsprint-Weltmeisterin und Dritte im Sprint, scheint nach längeren mentalen Problemen nach dem Vogel-Unfall rechtzeitig vor dem Saisonhöhepunkt wieder ihre Top-Form zu finden.
Im Ausdauerbereich der Männer wollen Roger Kluge und Theo Reinhardt den WM-Titel im Madison verteidigen. Nach den Leistungen im Winter bei EM, Weltcups und Sixdays gehört das Duo zum engsten Favoritenkreis – muss aber zunächst den Kampf gegen die Uhr gewinnen. Kluge reist direkt von der UAE-Tour an, die er mit seinem belgischen Lotto-Soudal-Team fährt und die am 2. März in Dubai endet. 3,5 Stunden vor dem WM-Rennen am 3. März in Pruszkow soll Kluge landen. „Genug Zeit, um noch zu essen und sich warm zu fahren“, sagte Kluge – vorausgesetzt der Flieger kommt pünktlich an.
In der Mannschaftverfolgung peilt Bundestrainer Sven Meyer mit seinem Vierer eine Top-6-Platzierung an. Die ist auch nötig, um die bislang nicht optimal verlaufene Qualifikation für die Olympischen Spiele in Tokio zu verbessern. Hier liegen die Verfolger derzeit auf Rang neun – nur acht Mannschaften lösen das Tokio-Ticket. „Ich bin optimistisch, weil ich weiß, dass die Jungs in den letzten Monaten sehr gut gearbeitet haben“, sagte Meyer. Mit Theo Reinhardt und Kersten Thiele hat sich zudem der Kreis der Fahrer vergrößert und bietet mehr Optionen. In der Einerverfolgung ist Europameister Domenic Weinstein Medaillenkandidat und könnte nach Silber 2016 in London diesmal sogar den Sprung nach ganz oben schaffen. WM-Neuling Moritz Malcharek startet im Mehrkampf Omnium. Im Punktefahren und im Scratch konnte sich der BDR nicht qualifizieren.
Im Ausdauerbereich der Frauen will die Mannschaft von André Korff ihren gezeigten Aufwärtstrend (Platz 6 in der Olympia-Qualifikation-Rangliste) fortsetzen. Bei der EM 2018 in Glasgow gelang schon der Sprung auf den Bronze-Rang – die letzte und bisher einzige WM-Medaille in der Mannschaftsverfolgung gab es 2008. In Manchester wurde damals noch mit drei Frauen und 3000 Meter gefahren. „Lisa Brennauer hat mit ihrer Rückkehr auf die Bahn im Herbst 2017 zur EM in Berlin für eine echte Initialzündung gesorgt“, sagt Korff. In ihrem Windschatten hat sich eine inzwischen schlagkräftige Mannschaft entwickelt. „Ich denke, um eine Medaille zu holen, muss man in Pruszkow eine Zeit von 4:16 Minuten fahren - mal sehen, ob wir diesen Sprung schon hinkriegen“, sagt Korff. Die Bestzeit seines Quartetts steht bei 4:19,668. Kleiner Wehrmutstropfen: In den olympischen Disziplinen Madison und Omnium verpasste der BDR einen Startplatz. Dafür könnte die Europameisterin und deutsche Rekordhalterin Lisa Brennauer in der Einerverfolgung eine WM-Medaille holen, zumal Titelverteidigerin und Weltrekordlerin Chloe Dygert (USA) fehlt.
2018 bei der WM in Apeldoorn holte der BDR vier Gold- und zwei Bronzemedaille. An zwei Erfolgen (Teamsprint, Sprint) war vor einem Jahr noch Kristina Vogel beteiligt, die seit 2012 jedes Jahr mindestens einen Weltmeister-Titel zur deutschen Bilanz beisteuerte. Nach ihrem Unfall im Juni 2018 fehlt die Erfurterin in Pruszkow. Ebenfalls nicht dabei ist Maximilian Levy. Der viermalige Weltmeister, im Vorjahr WM-Dritter im Keirin, hatte frühzeitig auf eine Teilnahme verzichtet, weil seine Frau Madeleine ihr drittes Kind erwartet.
Überragende Nation der WM 2018 war Gastgeber Niederlande. Drei der fünf Goldmedaillen steuerte Kirsten Wild bei – auch diesmal wird die 36-Jährige sicher eine entscheidende Rolle spielen und sich packende Duelle mit der viermaligen Olympiasiegerin Laura Kenny aus Großbritannien oder Annette Edmondson aus Australien liefern. Bei den Verfolgern – Männer und Frauen – geht der Sieg nur über Großbritannien. Allerdings schrammten Neuseelands Männer beim Heim-Weltcup in 3:50,159 Minuten nur knapp am Weltrekord vorbei. Insgesamt wird das Niveau bei der Verfolgern wohl deutlich nach oben gehen. In der Königsdisziplin Sprint fuhr Titelverteidiger Matthew Glaetzer aus Australien eine starke Weltcup-Saison mit drei Siegen, muss wohl vor allem die Niederländer um Harrie Lavreysen in Schach halten. Bei den Frauen dürften sich Stephanie Morton (Australien), 2017 und 2018 schon Vize-Weltmeisterin, und die Hongkong-Chinesin Wai-Sze Lee wie während der Weltcup-Saison ein Duell um die Sprint-Krone und damit die Nachfolge von Kristina Vogel liefern.