WM-Premiere mit 59 Jahren - Schrittmacher-Legende Peter Bäuerlein fährt Derny in den Keirin-Wettbewerben
Berlin. Er ist einer der renommiertesten Schrittmacher der Welt: 3 x Europameister (2007, 2008, 2016), 12 x deutscher Meister, 2 x britischer Meister und 2 x niederländischer Meister bei den Stehern. Doch trotz seiner beeindruckenden sportlichen Vita erlebt Peter Bäuerlein bei den Titelkämpfen in Berlin (26. Februar bis 1. März) seine WM-Premiere. Der Nürnberger wird bei den Keirin-Rennen am Donnerstag (Männer) und Sonntag (Frauen) die Felder auf dem Derny in Fahrt bringen.
„Ja, es stimmt – Berlin wird meine erste Weltmeisterschaft. Ich habe mich sehr über die Anfrage gefreut. Dass ich dabei bin, ist wirklich toll“, sagt Bäuerlein. Bei den Stehern wurde 1994 zum letzten Mal ein Weltmeister ermittelt – der Berliner Carsten Podlesch und Schrittmacher Dieter Durst sicherten sich damals in Palermo den WM-Titel. Seitdem fristen die Steher-Rennen eher ein Nischen-Dasein – und Bäuerlein musste deshalb mehr als drei Jahrzehnte auf sein WM-Debüt warten.
In Berlin kann Bäuerlein – Markenzeichen rotes Halstuch und Pilotenbrille – mit einer Weltpremiere aufwarten. Der Nürnberger wird mit einem von ihm entwickelten Elektro-Derny die Keirin-Rennen bis auf 50 km/h beschleunigen, ehe er nach drei Runden ausschert. Zwar hat der Weltverband UCI bei der WM 2015 in Paris mit dem Hersteller „Elmoto“ erstmals ein Elektro-Derny eingesetzt. Das hat Bäuerlein aber nicht überzeugt. „Es sieht aus, als ob einer Pizza ausfährt – mit Radsport hat das nicht zu tun“, sagt Bäuerlein. So entwickelte er ein eigenes E-Derny – das dem klassischen Look deutlich näher kommt. „Wo der Motor ist, sitzt jetzt unsere Batterie, der Antrieb ist im Hinterrad“, beschreibt Bäuerlein sein „Baby“. Zwei Exemplare wurden aus der Werkstatt in Büttgen bereits zu den pan-amerikanischen Spielen ausgeliefert und erfolgreich eingesetzt – obwohl die E-Dernys dreimal so teuer sind als ein herkömmliches Leicht-Motorrad.
Allerdings gehen auch dem neuen E-Derny der „Marke Bäuerlein“ die charakteristischen Geräusche ab. „Als Schrittmacher gefällt mir natürlich das Geknatter“, gibt Bäuerlein zu, der seit 1980 dem Sport nachgeht und zwischen 80 und 100 Renntage im Jahr hat. „Ich sehe aber auch die Nachfrage nach E-Dernys in Hallen, in denen Verbrennungsmotoren nicht erlaubt sind.“ Auch im Training eröffneten die über 75 km/h schnellen Dernys neue Möglichkeiten – wie jetzt in Berlin bei der WM. Bei den Sixdays wurden die Steher aufgrund der Geräusch- und Abgasbelastung schon weitgehend aus dem Programm verbannt.
Neben der Entwicklung eines E-Dernys hat sich Bäuerlein in den vergangenen Jahren auch mit dem „DernyTeam Europe“ darum bemüht, den Derny- und Stehersport zu professionalisieren. Rund 40 Schrittmacher aus Deutschland, Belgien, Niederlande, Frankreich und Italien managt der selbständige Medienberater für Radio und TV und koordiniert die Einsätze bei Sechstagerennen oder Kriterien. Gleichzeitig versucht das „DernyTeam Europe“, Nachwuchs auszubilden. Auch an einer Reform des UCI-Reglements würde der bald 60-Jährige gern mitarbeiten – die aktuellen Richtlinien stammen aus den 60er- und 70er-Jahren. Zuerst aber will Peter Bäuerlein seine WM-Premiere im Velodrom genießen: „Berlin ist für mich echt die Krönung meiner Laufbahn.“